Bäuerinnen-Seminar II
Sicherer Umgang mit Rindern – man kann ihn lernen!

Im Rahmen des Bäuerinnen-Seminars II von AELF Töging und vlf Altötting-Mühldorf wurden 20 Frauen auf dem landwirtschaftlichen Betrieb der Familie Stoiber in Sterneck am 19.03.25 von der SVLFG im sicheren Umgang mit Rindern geschult

Der SVLFG als Berufsgenossenschaft für landwirtschaftliche Betriebe ist es großes Anliegen, Unfälle im Rinderstall durch Prävention zu verhindern. Deshalb bietet sie seit vielen Jahren kostenlose Kurse zum sicheren Umgang mit Rindern an und vermittelt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern das sog. Low-Stress-Stockmanship.

Wie Rinder ticken
Die Theorie vermittelte am Vormittag SVLFG-Mitarbeiter Peter Wametsberger. Sehr anschaulich und mit vielen praktischen Beispielen gespickt brachte er den Teilnehmerinnen nahe, wie Kühe auf Grund ihrer arteigenen Sinneswahrnehmungen ticken – ganz anders, wie wir dies erwarten aus unserer Perspektive. Für den Perspektivwechsel hat die Wissenschaft eine eigene dreidimensionale Brille entwickelt, deren Wirkung er den Bäuerinnen anhand eines Videos plausibel machen konnte.
Sehen

Rinder haben mit 330° ein sehr weites Sichtfeld. Menschen haben im Vergleich dazu nur 210°. Bei Rindern ist der tote Winkel nur sehr klein. Aber die Tiere reagieren äußerst sensibel, wenn sich ein Mensch von diesem her nähert. Entfernungen können Rinder nicht gut einschätzen und sie tun sich schwer, sich an veränderte Lichtverhältnisse anzupassen. Deshalb wollen sie nicht in das für uns klare, für sie aber vermeintlich ungewisse (z.B. den Hänger) gehen.

Hören

Rinder können für sie positive Geräusche wie den Futtermischwagen von negativen wie dem Viehtransporter unterscheiden. Laute, schrille und anhaltende Geräusche beeinträchtigen sie in ihrem Wohlbefinden. Deshalb sollten bewegliche Metallteile durch Kunststoffe abgefedert werden. Sie sind außerdem sehr schreckhaft und wollen, dass man sich mit ruhiger Stimme bemerkbar macht. Ihre Ohren richten sie stets nach der Geräuschquelle aus.

Tasten / Fühlen:

Rinder reagieren positiv auf wohlwollenden menschlichen Kontakt und beruhigende Berührungen an besonders sensiblen Körperbereichen wie den Haarwirbeln, den Ohrwurzeln, den Augenliedern, im Gaumen oder der Wirbelsäule (Akkupressurpunkte). Sie verabscheuen Berührungen mit kalten Gegenständen wie Metallstäben. Körperliche Kontaktaufnahme erfolgt am besten seitlich an den Flanken.

Riechen / Schmecken:

Der Geruchs- und Geschmackssinn ist bei Rindern sehr fein ausgeprägt. Auch hier können sie zwischen positiven und negativen Gerüchen unterscheiden.

Rinder sind Fluchttiere

Im Gegensatz zum Menschen als Jäger und Sammler ist das Rind ein Flucht- und Herdentier. Der Landwirt muss deshalb verinnerlichen, dass ein Rind auf schnelle Flucht bzw. sofortigen Angriff geeicht ist. Wenn er mit der Herde arbeiten möchte, ist es für ihn wichtig, das Leittier sowie die ranghohen und rangniedrigen Tiere zu kennen.

Low Stress Stockmanship

Will man sich dem Rind annähern, muss man seine Reaktionszonen kennen. Steht man so weit entfernt, dass keinerlei Reaktion erfolgt, befindet man sich außerhalb der Reaktionszone. Tritt man in die Beobachtungszone ein, wird man wahrgenommen erkennbar durch das Ohrenspiel, das Heben des Kopfes usw. Beim weiteren Herangehen an das Rind erreicht man die Bewegungszone. Tritt man in diese Zone ein, bewegt sich das Rind. Geht man zurück, bleibt es stehen. Je nach Eintrittswinkel kann man die Bewegungsrichtung beeinflussen. Genau dieses Muster hat der Texaner Bud Williams erkannt, als er die Methode des „Low Stress Stockmanship“ zum stressarmen Treiben von Tieren entwickelt hat. Er hat auch die sog. Balance-Linie entdeckt, die sich in Höhe der Schulter befindet und eine direkte Einflussnahme auf das Tier ermöglicht. Wird der Balance-Punkt von hinten in Richtung Kopf überschritten, bewegt sich das Rind rückwärts und umgekehrt bewegt es sich vorwärts, wenn die Linie von vorne in Richtung Schwanz überschritten wird.

Arbeiten mit den arttypischen Sinneswahrnehmungen des Rindes

Wie kann man nun die gewonnenen Erkenntnisse nutzen? Laut Wametsberger dadurch, dass man sich sowohl bei den stallbaulichen Konzepten wie auch dem täglichen Arbeiten an den arttypischen Sinneswahrnehmungen des Rindes orientiert. Dazu zeigte er den Teilnehmerinnen eine Fülle an Lösungsvorschlägen zum Treiben, Verladen, Melken, Separieren (z.B. für Impfungen) usw. von Rindern auf. Abschließend ermunterte er die Anwesenden, bei Bedarf die kostenlose Einzelberatung der SVLFG in Anspruch zu nehmen. „Dafür sind wir da, mein Kollege Georg Lang und ich“, so Herr Wametsberger.

Praxis am Nachmittag
Nach dem Mittagessen ging’s mit Herrn Lang in den Stall zur praktischen Vorführung der verschiedenen Techniken:
Anlegen verschiedener Halfter, Annähern zur Kontaktaufnahme mit dem Stock, Separieren von Einzeltieren aus der Herde, gezieltes Treiben in eine Richtung, Auftreiben aus der Liegebox, Beruhigen durch das Massieren der Akkupressurpunkte.

Am Ende der ganztägigen Veranstaltung zeigten sich die Teilnehmerinnen höchst zufrieden über das Gelernte und hoch motiviert, zuhause gleich mit dem Üben zu beginnen. Die Veranstaltung wurde von der SVLFG kostenlos angeboten und vom vlf Altötting-Mühldorf finanziell unterstützt. Dafür und für die Bereitstellung des landwirtschaftlichen Betriebs durch Familie Stoiber herzlichen Dank.